Die richtige Markenarchitektur für mittelständische B2B-Unternehmen

Strategie

Die Markenarchitektur nicht nur ein Werkzeug zur Organisation des Produktportfolios, sondern auch ein entscheidender Faktor für die strategische Ausrichtung und die Wahrnehmung eines Unternehmens in seinem Marktsegment. Eine klare und effektive Markenarchitektur hilft Unternehmen, ihre Markenbotschaft konsistent zu kommunizieren, Synergien innerhalb des Portfolios zu nutzen und effizient auf Marktveränderungen zu reagieren. In diesem Artikel stellen wir die verschiedenen Typen der Markenarchitektur dar und analysieren, welche Modelle für unterschiedliche mittelständische B2B-Unternehmen geeignet sind.

Wozu eine Markenarchitektur?

Markenarchitektur bezieht sich auf die Strukturierung und das Management von Marken innerhalb eines Unternehmens. Sie bestimmt, wie Submarken, Produktlinien und Dienstleistungen in Beziehung zur Hauptmarke und zueinander positioniert werden. Eine gut durchdachte Markenarchitektur ermöglicht es Unternehmen, ihre Geschäftsbereiche effektiv zu verwalten und die Markenwahrnehmung bei den Zielgruppen zu optimieren.

Typen der Markenarchitektur

Branded House oder Dachmarkenstrategie

In einer monolithischen Markenarchitektur – das sogenannte Branded House – werden alle Produkte und Dienstleistungen unter einem einheitlichen Markennamen vermarktet. Dies bedeutet, dass die Hauptmarke im Vordergrund steht und Submarken oder Produktvarianten nur minimale eigene Identitäten besitzen. Die Stärke dieser Architektur liegt in ihrer Fähigkeit, Markenwert und -erkennung durch die konsistente Nutzung des Hauptmarkennamens zu maximieren.
Beispiele hierfür sind Unternehmen wie Samsung und Virgin, die eine Vielzahl von Produkten unter einem gemeinsamen Markendach anbieten. Dabei profitieren alle Produkte und Leistungen von einem starken, gut etablierten Markennamen, der eine breite Akzeptanz und Glaubwürdigkeit in verschiedenen Produktsegmenten genießt. Auch Siemens nutzt die etablierte Marktposition und das Vertrauen in die Marke, indem es die meisten Produkte und Dienstleistungen unter dem Hauptmarkennamen vermarktet.
Ein weiterer Vorteil: Während die gesamte Markenkommunikation und alle Marketingaktivitäten auf die Kernmarke einzahlen und sie somit stärken, bleiben die Aufwände für Markenführung und Marketing übersichtlich.

Vorteile

  1. Starke Markenerkennung und ein vereinheitlichtes Markenimage

  2. Reduzierte Marketingkosten durch den Einsatz eines einzigen Markennamens über alle Produkte und Dienstleistungen hinweg

  3. Einfachere Markenführung und geringere Komplexität in der Markenstrategie

Nachteile

  1. Eingeschränkte Flexibilität bei der Markendifferenzierung

  2. Risiko der Markenüberdehnung, wenn Produkte nicht konsistent zur Kernmarke passen

  3. Schwierigkeiten bei der Ansprache verschiedener Zielgruppen mit unterschiedlichen Bedürfnissen

Einzelmarkenstrategie oder House of Brands

Die Einzelmarkenstrategie oder House of Brands beinhaltet die Schaffung einer Reihe von eigenständigen Marken, die jeweils ihre eigene Marktidentität und Zielgruppe haben. Damit entspricht dieses Modell genau dem Gegenteil der Branded-House-Strategie, in welcher die Einzelmarke im Vordergrund steht. In der Einzelmarkenstrategie operiert jede Marke eines Unternehmens unabhängig von den anderen, was eine spezifische Positionierung und spezielle Marketingstrategien ermöglicht.
Große Konglomerate oder Unternehmen, die in mehreren, oft unverbundenen Märkten agieren nutzen häufig dieses Konstrukt der Markenarchitektur, so zum Beispiel Procter & Gamble, das zahlreiche Marken wie Tide, Pampers und Gillette besitzt, die jeweils unabhängig voneinander geführt werden. So können zum Beispiel neue Produkte eingeführt werden, ohne die Kernmarke oder andere Marken des Unternehmens durch etwaige negative Effekte zu gefährden. Der Aufwand für das Markenmanagement für diverse Einzelmarken ist jedoch folglich deutlich höher als bei der Führung einer einzigen Kernmarke.

Vorteile

  1. Flexibilität in der Markenpositionierung, um spezifische Marktsegmente effektiv anzusprechen

  2. Isolierung von Risiken, da der Misserfolg einer Marke nicht direkt andere Marken beeinflusst

  3. Möglichkeit, in verschiedene Produktklassen und -kategorien zu diversifizieren, ohne die Kernmarke zu verwässern

Nachteile

  1. Höhere Kosten für das Management und Marketing jeder einzelnen Marke

  2. Potenzieller Mangel an Synergieeffekten zwischen den Marken

  3. Komplexität in der Unternehmensstruktur

Endorsed Brands oder Familienmarkenstrategie

In einer Endorsed Markenarchitektur haben Submarken ihre eigene Identität, profitieren jedoch von der Glaubwürdigkeit und dem Vertrauen in die Dachmarke. Dieses Modell kombiniert die Vorteile einer starken Dachmarke mit der Flexibilität eigenständiger Submarken. Das Konstrukt steht somit zwischen der monolithischen Architektur des Branded House und der Architektur der Einzelmarken im House of Brands. Ein Beispiel hierfür ist beispielsweise Marriott International mit seinen verschiedenen Hotelmarken wie Marriott, Courtyard by Marriott und Ritz-Carlton. Das Mitführen der Namensbestandteile aus der Dachmarke – in diesem Fall Marriott – sorgt bei Kund:innen für Vertrauen, erlaubt es aber gleichzeitig der Marke sich durch den Namenszusatz in anderen Kunden- und Preissegmenten zu positionieren. Bei der Markenarchitektur der Endorsed  Brands möchten Unternehmen, die eine starke Hauptmarke besitzen, diese positiven Eigenschaften nutzen, aber gleichzeitig auch spezifische Zielgruppen mit besonderen Bedürfnissen bedienen.

Vorteile

  1. Klarer Markenbezug und Nutzen aus dem Ruf der Hauptmarke

  2. Flexibilität in der Positionierung der Submarken, um spezifische Märkte anzusprechen

  3. Effektive Balance zwischen Markeninnovation und -kontinuität

Nachteile

  1. Herausforderungen bei der klaren Kommunikation der Beziehung zwischen den Marken

  2. Potenzielle Markenkonflikte, wenn Submarken in direkter Konkurrenz stehen

  3. Komplexität in der Markenführung und -strategie

Mischformen

Nicht alle Unternehmen fahren einen einzelnen Strategieansatz, sondern nutzen verschiedene Mechanismen zwischen Einzelmarken und Familienmarke (Endorsed Brands) oder Dachmarke.  Das Unternehmen 3M vermarktet zum Beispiel einige Produkte direkt unter der Dachmarke während andere Produkte wie Post-it oder Scotch sowohl für sich als auch als Teil des größeren Markenportfolios vermarktet werden. Darüber hinaus ist es zum Beispiel bei größeren Akquisitionen von anderen Unternehmen oftmals nicht gewünscht die neugewonnene Marke in die bisherige Architektur zu integrieren, sondern die positive Markeneffekte mitzunehmen.

Die richtige Strategie ist immer individuell

Im B2C-Sektor besteht schon lange ein Trend, neue Services und Produkte als neue Einzelmarke zu vermarkten, da dadurch Risiken für die Kernmarke reduziert werden können und da gleichzeitig der Gestaltungsspielraum in der Vermarktung größer ist. Zudem sind in diesem Markt in der Regel nicht nur die Produktlebenszyklen, sondern auch die Markenlebenszyklen kürzer, so das neue Marken eine neue Aufmerksamkeit schaffen.

Ob dies auch in B2B-Bereich sinnvoll ist, lässt sich pauschal nicht beantworten. Gerade B2B- Unternehmen mit einem langfristigen Markenerbe profitieren häufig von ihrer Historie und ihrem Markenimage. Denn im Gegensatz zum sich extrem schnell drehenden Konsumentenmarkt dürfte der B2B-Markt noch immer stärker vom Bedürfnis nach Zuverlässigkeit, Sicherheit und Professionalität geprägt sein. Ist dieses Image erreicht, sollte die Positionierung der Marke nur sehr behutsam angetastet werden. Kleine B2B-Unternehmen haben zudem nicht immer den Bedarf einer besonders differenzierten Zielgruppenansprache, weswegen mehrere Marken strategisch nicht zielführend wären. Darüber hinaus steht dem Aufwand einer Markenneueinführung ein sehr hoher Aufwand für die Etablierung einer neuen Marke entgegen, angefangen bei der Entwicklung eines rechtlich schutzwürdigen Brands. Insbesondere für kleine und mitteständische Unternehmen stellt sich daher auch die Frage, ob sie die Ressourcen zur Entwicklung und Pflege nebeneinander existierender Einzelmarken haben.  Anders sieht es bei Neueinführungen von Services und Produkten aus, welche dem Image der bestehenden Marke gefährlich werden könnten.

Die Auswahl der richtigen Markenarchitektur hängt somit von vielen Faktoren ab, darunter die vorhanden Ressourcen, die Marktbedingungen, die Beziehung zwischen den Produkten und die langfristigen strategischen Ziele des Unternehmens. Mittelständische B2B-Unternehmen sollten eine Markenarchitektur wählen, die nicht nur die aktuelle Marktposition stärkt, sondern auch genügend Flexibilität für zukünftiges Wachstum bietet.

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Foto: Simone Hutsch/Unsplash

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